Spunk Seipel/Landshut

Die Gropiusstadt erinnert mich in ihrer Struktur und Funktionsweise eher an ein arabisches Dorf als an eine mitteleuropäische Stadt. Statt den klar strukturierten Straßen, wie sie spätestens Haussmann in Paris im 19. Jahrhundert durchgesetzt hat und wie sie auch Berlin prägen, gibt es hier Sackgassen und verwinkelte Wege. Man muss lernen, seinen Weg zu finden. Das öffentliche Leben ist auf den Basar, respektive die Gropiuspassagen und wenigen anderen Einrichtungen beschränkt. Die Menschen ziehen sich in ihre eigenen vier Wände zurück, und es bleibt dennoch eine gewisse soziale Kontrolle bestehen.
Wie in arabischen Dörfern herrscht in der Gropiusstadt ein Mangel an Bildern. Es gibt, anders als in den Altbauvierteln von Berlin, kaum Plakatwände. Auch Graffitis und wildgeklebte Plakate sind kaum präsent. Und die Kunst, die man vor Jahren, vermutlich als 'Kunst am Bau' - Programm auf einigen wenigen öffentlichen Plätzen aufgestellt hat, ist eine nüchtern-abstrakte Kunst, die manchmal nur dem routinierten Kunstbetrachter auffällt, aber kaum zu einer bildlichen Bereicherung des Stadtteils beiträgt.

Die Gropiusstadt trägt ihren Namen nach einem der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Kennt man sich im Werk von Gropius aus, oder sieht man sich seine frühen Entwürfe für die Gropiusstadt an, kann man eigentlich nur froh sein, dass Politiker und Wohnungsbaufirmen Gropius nicht den Stadtteil allein realisieren ließen, sondern viele andere Architekten beauftragten und so unter anderem eine spannungsreiche Silhouette entstand.
Und doch frage ich mich, warum außer dem Namen nichts an diesen großen Architekten in diesem Stadtteil erinnert. Weil ich oft in Wien und München bin und Katholiken nun einmal zu bildlichen Denkmälern neigen, wünsche ich mir, diesem 'arabischen Dorf' am Rand von Berlin ein bisschen mitteleuropäische Stadt aufzusetzen und plane einen gigantischen, den Dimensionen der Häuser angemessenen Fremdkörper der Gropiusstadt zu schenken: Einen riesigen Kopf von Gropius aus Bronze.