Brandstifter/Mainz

Wer findet, der sucht - Zettels Trauma?

An alle BewohnerInnen der Gropiusstadt: vom 8.-12.Juni eröffnet die Asphaltbibliotheque eine Filiale in Ihrer Gropiusstadt. Zu diesem Zweck sind im öffentlichen Raum Fundzetteldepots aufgestellt, in denen Sie Ihre gefundenen Zettel einwerfen können. Bitte fügen Sie eventuell Namen, Anschrift, Fundort und Datum bei oder schicken Sie die Zettel direkt an: Brandstifter, Kaiserstr. 43, D-55116 Mainz, brandstifter@europenner.de (Anzeige in der BZ am 7.6.2004)

In der Betonwüste Lipschitzplatz sitzt eine biertrinkende Gruppe von sechs Leuten um eine abgewrackte Bank. Ich ahne, dass ich dort keinen leichten Stand haben werde und beschließe, gerade deswegen direkt neben ihrem Stammtisch an einem Baum ein weiteres Fundzetteldepot in Form einer DIN-A-5-großen PE-Tüte anzubringen. „Hey, was soll das! Das ist ja Volksverdummung!“ ernte ich sofort den barschen Kommentar von einem rotgesichtigen Mitvierziger, der bei allem, was er sagt, kurz vor dem Explodieren zu sein scheint. „Asphaltbibliotheque ist jede öffentliche Straße oder Platz“ zitiere ich ruhig aus §1 der Benutzungsordnung zur Sammlung von herrenlosen Fundnotizen, bevor ich sie aufhänge. Hier in Deutschland müsse schließlich alles seine Ordnung haben und dies gilt erst recht auch für denjenigen, der am Informationsnetz der scheinbar verloren gegangen Botschaften teilnimmt. Ein mittelalter Mann mit Schnurrbart, der sich später als Mädchen-für-Alles der Gropiusanlagen entpuppt, droht mir an, benutztes Klopapier in die Depots zu stecken. Seine Augen verraten mir, dass er mich nur foppen will. Hier in Gropiusstadt ist übrigens ALLES zwischen den Hochhäusern mit grünem Eisengitter eingezäunt: Blumen, Rasen, sogar eine Straße (!), und überall stehen und hängen immer noch Verbotsschilder, wie es schon Christiane F. in „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zu berichten wusste. Als ich erkläre, weder vom Berliner Senat noch von der EU Geld für meine Aktion „in den Arsch geblasen“ zu bekommen, ist auch Mr. Bluthochdruck einigermaßen beruhigt. Nun hält man mich offensichtlich nur noch für einen leidenschaftlichen Spinner, da ich noch nicht mal Geld für die in den Augen der frustrierten Dauerarbeitslosen nutzlose Aktion erhalte. Bezahlt werden die aber och nüch für ihre Rumhängerei, und ihren Alk gibt’s offensichtlich auch nicht für lau am nächsten Kiosk, wo man mich mild belächeln wird, als ich scheinheilig nach Ansichtskarten von pretty Gropipussi anfrage…
(Auszug aus dem Projekttagebuch der Asphaltbibliotheque vom 8.6. 2004)

 

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