Florian Göttke/Amsterdam

In meiner Woche in Gropiusstadt bin ich ausgezogen, das Gebiet kennen zu lernen. Einmal an der Grenze entlang, um ganz Gropiusstadt herum, und dann kreuz und quer durchs ganze Viertel. Trotz des gnädigen Novemberwetters habe ich nur wenige Gropiusstädter gesehen; die Wege, Parks und Straßen waren eher leer (die Gropiuspassage natürlich die große Ausnahme).
Was mir auffiel waren Farben und die Designelemente. Verschiedene Lagen der Designgeschichte liegen wie archäologische Schichten über und nebeneinander, alte originale Stücke und übermalte, renovierte, erneuerte und modernisierte Teile, deren Farben auch schon wieder ausbleichen und abblättern. Eine reiche Vielfalt an Schattierungen, vor allem in Blau-, Gelb-, Grün- und Brauntönen, die besonders gut mit den Herbstfarben der Bäume und Grünanlagen zusammenklangen.

Ich habe auch nach Spuren früherer Pilotprojekte gesucht, aber – natürlich wegen der temporären Art des Konzepts – kaum etwas gefunden. Der Plattenweg, den Helmut Dicks Salatfeld abgeschnitten hat, war die meist sichtbare Spur. Ein paar Überreste von der „1. Internationalen Woche des Informellen Hausbaus“ habe ich im Feld über der Grenze zu Brandenburg gefunden.
Das Schild “Rodeln in den Grünanlagen verboten” könnte sehr gut dasjenige sein, das einer meiner Vorgänger in seiner Lektüre von Christiane F. ”Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” beschreibt. Die Postkarten, die Katharina Hohmann für Gropiusstadt produzieren wollte, konnte ich in keinem der Kioske finden.

Die spannendste Entdeckung für mich waren aber die frei stehenden Waschhäuser, von denen ich fünf über Gropiusstadt verteilt gefunden habe. Relativ unscheinbare quadratische Pavillons, im Innern durch halbverglaste Wände unterteilt in funktionelle Räume: Eingang, Waschmaschinenraum, Mangeln und Wäsche legen, Warteraum, Besenkammer; funktionelle Architektur, ziemlich kahl und leer, vereinzelt angehübscht mit Tier- oder Blumenpostern und immer frisch aufgewischt, verweisen sie, wie auch die Teppichklopfplätze, auf die beinahe vergangene Zeit der Generation meiner Eltern.
Sie verweisen aber auch auf die sozialen Ideale der Planer von Gropiusstadt. Das Waschhaus, traditionell ein sozialer Ort, wurde hier nicht im Keller versteckt, sondern in die Mitte der Siedlung zwischen die Häuser gelegt.
Auch wenn es den temporären Charakter der Pilotprojekte sprengt, möchte ich vorschlagen, eines dieser Waschhäuser (das im Höltermannsteig 3 ist gerade ab dem 1.9.2006 geschlossen worden) in seinem jetzigen Zustand zu erhalten: frisch aufgewischt, als ob die letzte Wäsche gerade aus der Maschine gekommen ist, als eine Art Zeitkapsel einer gerade vergehenden Gegenwart.