Ingeborg Lockemann/Berlin

Gropiusstadt zwölf Uhr mittags

Heute ist der 25. Juli 2006, es ist 12 Uhr.
Ich kaufe einen Wecker mit Temperaturmessung im Media-Markt in den Gropius-Passagen. Ich trage ihn heraus und schaue immer wieder auf die Anzeige. Sie reagiert etwas träge auf die sich verändernden Temperaturen: 32,2 Grad bei H&M; 33,4 Grad bei MacPaper; 33,1 Grad auf dem U-Bahnhof Lipschitzallee; 35,2 Grad am U-Bahnhof in der Sonne; 32,8 Grad im Schatten des Hochhauses Sollmannweg 2 und nun 37,2 Grad auf dem sonnigen Tisch der Wohnung. Im Kühlschrank sind 10,5 Grad.
Seit zwei Wochen fallen die Temperaturen nicht unter dreißig Grad. Auch in dieser Woche meines Aufenthaltes in der Wohnung des Pilotprojektes Gropiusstadt soll es eher noch wärmer werden.
Es ist 12 Uhr 30.
Eigentlich auf der Suche nach einer Idee für eine künstlerische Arbeit, halte ich beim ersten Spaziergang doch insgeheim schon nach einer schattigen Sitzgelegenheit Ausschau. Alles ist still und friedlich. Beim Laufen versuche ich, einen Weg im Schatten zu finden. Doch auch im Schatten sind 33,3 Grad.
Es ist zu warm für gute Ideen. Mir fehlt sogar die Energie, den Fotoapparat aus der Tasche zu holen.
Ich setze mich ins erstbeste Café. Ein paar ältere Leute mühen sich schwitzend vorbei.

Ich schaue auf meinen Wecker. 13 Uhr 10. Es ist wärmer geworden: 34,1 Grad.
Es wäre sinnvoll, eine Karte der Schatten anzulegen, überlege ich. Eine Juli-Schattenkarte von 12 Uhr mittags, wo die Schatten am kürzesten sind.
Sie würde die Schatten der möglichen Wege von der Wohnung im Sollmanweg zu den umliegenden Cafés und Kneipen zeigen. Mit ihrer Hilfe könnte man auch in den folgenden heißen Sommern diese Orte erreichen, ohne den Schatten verlassen zu müssen. Ich gehe zurück zur Wohnung.