Andrea Witzmann /Wien

Ich versuche so leise wie möglich die Wohnungstür zu schließen. Alle schlafen, nichts ist zu hören. Am Gang ist es dunkel, nur die Lichtknöpfe glimmen rot. Ich drücke jedoch keinen und öffne die Tür zum Stiegenhaus. Heute Morgen war eine Antwort an der Wand. Im 13. Stockwerk hab ich sie gefunden. Ich gehe die Stufen hinauf, langsam mit klopfendem Herzen in die Finsternis. Vor mir muss es sein. Ich schalte das Licht ein, und die Nachricht löst sich aus der Nacht. Sehnsucht und Begehren überfallen mich wie Räuber aus den Büschen. Sie will mich wieder sehen, hier steht es! Ich hole meine Spraydose aus der Tasche und ziehe mit leisem Zischen ein Herz um ihren Namen.

Die Wohnung ist groß und hellgrau, wie die Silberfischchen im Bad, die unerschrocken um meine Zehen streichen. Wie die Aussicht, nebelverhangen, trüb und trostlos. Ich schrumpfe in der steten, trockenen Wärme der ferngeheizten Räume, mein Frotteepyjama ist nach zwei Tagen lang und schlabberig. Auf vier aufeinander gehäuften Matratzen verlangsamen sich die Sekunden, ja zwischendurch bleiben sie stehen. Ich kann mich an meine erste Langeweile als Kind erinnern, kann es kaum fassen und geh mich zum dritten Mal duschen.

Ein Stück weite freie Fläche ist, wenn ich die Wange ans Glas presse, aus dem Fenster im hintersten Zimmer zu sehen. Da stand vor fünfzehn Jahren die Berliner Mauer – jetzt sieht man kleine Silhouetten mit Hunden, auf Pferden und Laufenden aus der Ferne ein Karree bilden. Ich ziehe mich an, um selbst den Alltag zu begehen. Auf der Straße bleibe ich dann doch zwischen den weihnachtlich geschmückten Fassaden stecken, finde ein Beisl und bestelle ein Glas Sekt. Klebrig süßes Prickeln in der Kehle, auf einem Barhocker schwebend über schmutzig kitschigem Plüschteppich und deutscher Unterhaltung.