Myriam Thyes / Düsseldorf

/ 2008

Sonntag, 5. Oktober
Ankunft in der Gropiusstadt ca. 15:30 Uhr.
Das halbkreisförmige Gropius-Haus und Gropius' „Idealhaus“ finde ich beide wirklich schön. In diesem Halbrund in einer der oberen Etagen zu wohnen, hat etwas Königliches. Besonders der Blick aus dem Balkon auf die Innenfassade des Halbkreises ist attraktiv, sowie auf die grüne und baumreiche Anlage im Halbrund. Direkt daneben steht das frisch renovierte „Idealhaus“, hoch und pastellig-bunt, umgeben von kleineren Häusern in den gleichen Farben. Abends im Dunkeln leuchten die Fenster in verschiedenen Farben: gelb, orange, rot, hellgrün, rosa, hellblau – alles sehr freundlich und etwas unwirklich.

Montag, 6. Oktober
Gegen 17 Uhr begebe ich mich – wie offenbar viele der Leute hier, wenn sie von der Arbeit nach Hause zurückkehren – in die „Gropius-Passagen“. Ich kaufe A4-Zeichenpapier, Prospekthüllen und Klebeband, denn ab morgen möchte ich unscheinbare Details der Umgebung zeichnen und die Zeichnungen in Plastikhüllen in der Nähe ihrer Entstehung an Säulen, Bäume und Wände kleben (ähnlich Zetteln mit „Katze vermisst“).
Ich beobachte zwei Verkäuferinnen, die sich an einer männlichen Modepuppe zu schaffen machen, um sie umzuziehen. Die Mädchen haben dabei Spaß und Mühe und brauchen mindestens eine Viertelstunde dafür – während ich sie fotografieren darf.
Wie man sieht, kann man in den Gropius-Passagen auch ohne Konsum Spaß haben.

Erstes Fazit:
Als „fremde/r Künstler/in“ in der Gropiusstadt zu wohnen, ist es gar nicht anders möglich, als zu kommunizieren und zu intervenieren. Selbst wenn kein einziges Kunstwerk entstehen, keine einzige Kunst-Aktion durchgeführt würde: Die Tatsache allein, dass seit Jahren fortlaufend neue „bewusst beobachtende Subjekte“ in diese Gegend eingeladen werden, die wie ein kleiner Kosmos für sich steht, ist eine Dauer-Performance, ein Werk (ob ein künstlerisches, soziales, therapeutisches ... ?). Und wir wechselnden Künstler/innen sind alle Teil dieser Performance.

Myriam Thyes Bild1

 


Myriam Thyes Bild2

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